Diese Cookie-Richtlinie wurde erstellt und aktualisiert von der Firma CookieFirst.com.

3 Fragen an...

Prof. Dr. med. Christoph Straub

Christoph Straub ist seit 2011 Vorsitzender des Vorstands der BARMER und seit 2016 Honorarprofessor an der Universität Bayreuth. Er studierte Medizin in Heidelberg und den USA. Von 1994 bis 2000 arbeitete er für den VdAK/AEV in unterschiedlichen Funktionen. Von 2000 bis 2008 war er für die Techniker Krankenkasse tätig, zuletzt als stellvertretender Vorsitzender des Vorstands. Von 2009 bis 2011 war er Mitglied des Vorstands der Rhön Klinikum AG.

1. Unser Gesundheitssystem ist eines der besten der Welt. Warum ist es dennoch so intransparent?

Für Patientinnen und Patienten erscheint das Gesundheitswesen oft undurchsichtig und die Komplexität überfordert und verunsichert viele. Aber auch diejenigen, die selbst im Gesundheitssystem arbeiten, leiden vielfach unter der Intransparenz. Das hat mehrere Ursachen. Medizin und Gesundheitssystem sind generell von einer strukturellen Informationsasymmetrie gekennzeichnet. Patientinnen und Patienten verfügen also oftmals nicht über alle relevanten Informationen, um ihre Situation richtig einzuschätzen und selbst bestimmte Entscheidungen treffen zu können. Immer lässt sich das auch nicht vollständig auflösen, denn oft geht es um spezialisiertes Fach- und Erfahrungswissen, das sich auch mit Suchmaschinen, Wikipedia und Gesundheits-Apps nicht ersetzen lässt. 

Umso wichtiger ist es, dass Ärztinnen und Ärzte Diagnosen und Therapieoptionen verständlich erklären und Therapieentscheidungen gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten treffen. Die sprechende Medizin kommt aber oft noch zu kurz. Zugleich mangelt es im Gesundheitssystem aber auch an leichtverständlichen und standardisierten Informationen für Entscheidungen, die man selbst treffen kann, etwa die Arzt- oder Krankenhauswahl.

"Eine Ursache für die Intransparenz sind fehlende oder schwerzugängliche Gesundheitsdaten."

Eine weitere Ursache für die Intransparenz sind fehlende oder schwerzugängliche Gesundheitsdaten. Patientinnen und Patienten müssen immer wieder ihre Krankheitsgeschichte erzählen und möglichst alle relevanten Informationen parat haben.

Ärztinnen und Ärzten fehlt oft eine belastbare Datengrundlage für Diagnostik und Therapie. In kaum einem anderen Land werden so viele Patientendaten digital erfasst und gespeichert wie in Deutschland. Doch sie sind meist nicht ohne Weiteres zugänglich, sondern liegen verstreut in Datenbanken von Arztpraxen, Apotheken, Krankenhäusern, Pflegedienstleistern oder Krankenkassen.

2. Welche Ansatzpunkte gibt es denn, um Patientinnen und Patienten trotzdem mehr Orientierung und Selbstbestimmung zu ermöglichen?

Eine wesentliche Voraussetzung für mündige Entscheidungen ist wissenschaftlich fundiertes und zugleich verständliches und leicht zugängliches Wissen. Ein zweiter Punkt ist die sprechende Medizin. Der ärztliche Berufsstand hat sich dafür in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich geöffnet. Wenn Sie heute mit jungen Medizinerinnen und Medizinern sprechen, dann ist es für sie selbstverständlich, aufzuklären und Entscheidungen gemeinsam mit Patientinnen und Patienten zu treffen. Das war nicht immer so. Technologie kann zusätzlich unterstützen, etwa durch Apps, die in die Therapie integriert Hintergrundwissen vermitteln und die Therapietreue stärken. Vor allem kommt es aber auf Empathie und eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung an.

"Es kommt auf Empathie und eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung an."

Auch die Verfügbarkeit der eigenen Gesundheitsdaten spielt eine wichtige Rolle. Grundsätzlich können Patientinnen und Patienten natürlich Einsicht in ihre medizinischen Unterlagen verlangen, das ist gesetzlich geregelt. Es war bisher aber mühsam und unübersichtlich. Mit der elektronischen Patientenakte wird das nun einfacher werden.

3. Wie kann es gelingen, das Gesundheitssystem insgesamt transparenter zu gestalten, um Versorgungsqualität und Effizienz zu verbessern?

Wir verschenken in Deutschland heute enormes Potenzial für eine bessere Versorgung, indem wir vorhandene Daten kaum strukturiert nutzen. Hier sind jetzt aber mehrere wesentliche Grundlagen gelegt worden. Bereits seit 2021 bieten alle gesetzlichen Krankenkassen ihren Versicherten eine elektronische Patientenakte an. Damit ist also im Prinzip der Ort geschaffen, an dem alle Daten zusammengeführt werden. Allerdings haben sich bis heute weniger als zwei Prozent der Versicherten eine solche Akte eingerichtet, denn bisher bekam nur eine Patientenakte, wer sich selbst darum kümmerte. Das soll sich mit der flächendeckenden Einführung der elektronischen Patientenakte ab Januar 2025 ändern.

Zudem hat gerade das Gesundheitsdatennutzungsgesetz den Bundesrat passiert und tritt jetzt in Kraft. Damit ist nun endlich klar geregelt, wie Gesundheitsdaten für die Versorgung und die individuelle Therapieplanung genutzt werden dürfen. Um das Potenzial an einem Beispiel zu verdeutlichen: Wir haben in einem Innovationsfondsprojekt namens AdAM nachgewiesen, dass bis zu 70.000 Todesfälle jedes Jahr vermieden werden können, wenn Hausarztpraxen Transparenz über die medizinische Vorgeschichte sowie alle Diagnosen und verordneten Medikamente ihrer Patientinnen und Patienten haben. Denn so lassen sich Wechselwirkungen und weitere Risiken in der Arzneimitteltherapieminimieren. Außerhalb eines solchen Innovationsprojektes durften die Daten bisher aber nicht genutzt werden, obwohl sie vorhanden sind. Das ändert sich jetzt.

"Ich wünsche mir, dass wir die neuen rechtlichen und technologischen Möglichkeiten nun auch wirklich nutzen."

Ich wünsche mir, dass wir die neuen rechtlichen und technologischen Möglichkeiten nun auch wirklich nutzen, um das System effizienter zu gestalten, die Versorgung zu verbessern und allen Beteiligten mehr Orientierung zu ermöglichen. Wir werden aber auch mit neuer Gesetzeslage und elektronischer Patientenakte nur weiterkommen, wenn wir über die Sektorengrenzen hinweg an einem Strang ziehen und mehr Transparenz gegenüber Patientinnen und Patienten zulassen.


Das Buch "Transparenz im Gesundheitswesen" (herausgegeben von Prof. Dr. med. Christoph Straub) beleuchtet das Ziel größerer Transparenz von verschiedenen Seiten: Beiträge aus Medizin und Gesundheitswissenschaften, aus Ökonomie, Philosophie und Politikwissenschaft beschreibt das weite Feld der Transparenz in Gesundheit und Gesellschaft. 


AKTUELLES